
Die Quelle fragt nicht nach dem Weg
Vor über zwanzig Jahren bin ich Bert Hellinger begegnet, dem Begründer der Familienaufstellung.
Ich war jung, voller Fragen – und tief beeindruckt von der Kraft seiner Arbeit. Fotos mit Teilnehmenden waren für Bert die Ausnahme – doch bei mir sagte er: ‹Ich habe ein gutes Gefühl›. Dieses Bild steht für mehr als einen flüchtigen Moment – es trägt die Erinnerung an eine frühe, tiefe Resonanz. Für mich zeigt es mehr als nur ein Treffen – es erinnert mich an eine frühe, klare Verbindung zu dem, was damals in mir in Bewegung kam. Ich erlebte ihn persönlich, sah ihn wirken – und spürte unmittelbar: Diese Arbeit hat Tiefe. Sie führt oft überraschend direkt zu innerem Frieden, zu Wandlung, zu mehr Leben.
Und doch – mit den Jahren kamen Zweifel.
Ich las kritische Stimmen, hörte von Kontroversen. Plötzlich war da Unsicherheit. Nicht gegenüber der Methode – die Aufstellungsarbeit selbst hatte ich stets als wirksam und heilsam erfahren. Aber gegenüber Bert Hellinger als Person wurde ich vorsichtig. Ich fragte mich: Kann ich mich wirklich öffentlich zu dieser Arbeit bekennen, ohne in eine Schublade gesteckt zu werden? Und so zog ich mich zurück. Ich stellte nicht mehr auf. Die Quelle in mir blieb zwar spürbar – aber sie floss nicht mehr.
Viele Jahre später, vor zwei, drei Jahren, geschah etwas Entscheidendes.
Ich las seine Autobiografie, die er kurz vor seinem Tod mit über 90 Jahren verfasst hatte. Beim Lesen öffnete sich mein Herz wieder. Ich fand Antworten auf Fragen, die mich lange begleitet hatten. Ich verstand besser, weshalb er so oft kritisiert wurde – und was seine Haltung dazu war. In mir klärte sich etwas. Die alte Ambivalenz wich einem stillen Ja. Ich konnte ihn wieder in mein Herz aufnehmen. Und damit auch die Quelle, aus der seine Arbeit gespeist war.
Diese Quelle – das ist für mich ein inneres Wissen, das tiefer reicht als Denken oder Wollen.
Eine stille Kraft, die führt, wenn wir ihr Raum geben. Für mich war Bert Hellinger jemand, der sich dieser Quelle hingegeben hat. Als ich die Verbindung zu ihr – und zu ihm – wieder spürte, kam auch meine eigene Kraft zurück. Ich begann, Lernaufstellungen zu entwickeln, in Schulen einzusetzen, und merkte: Jetzt fliesst es wieder. Was lange blockiert war, kam in Bewegung. Nicht weil ich es geplant hatte, sondern weil ich mich wieder verbinden konnte.
Die Quelle fragt nicht nach dem Weg.
Sie weiss, wohin es gehen will.
Ich bin dankbar, dass ich ihr wieder lauschen kann.